Editorial 145

25. September 2020

Auch der Herbst ist noch immer geprägt von der Pandemie. Allmählich wird es wirklich zäh. Die Terraristika ist im September nun bereits zum dritten Mal ausgefallen, und auch für den Dezember stehen die Zeichen nicht allzu gut. Die Veranstalter versichern, dass es weitergeht, sobald die Umstände die Durchführung wieder in der Art erlauben, wie wir es aus Hamm kennen und schätzen. Eine ebenso klare wie löbliche Einstellung.

An anderer Stelle, bei kleineren und lokaleren Veranstaltungen, zeigen sich inzwischen erste Anzeichen einer Wiederbelebung des terraristisch-öffentlichen Lebens. Erste Vorträge und kleinere Börsen finden wieder statt, aber halt unter „Corona-Bedingungen“, was immer das in der Praxis dann heißen mag. Und ein beklemmendes Gefühl bleibt, gerade angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen in Deutschland, vor allem aber auch im benachbarten Ausland. Tagungen fallen zum Teil aus (z. B. die allseits beliebte Urodelen-Tagung in Gersfeld), finden aufs juristisch Nötige eingedampft statt (die DGHT-Jahrestagung in Baunatal, die am 4. Oktober ausschließlich aus der Mitgliederversammlung besteht – dafür wird die „richtige“ Tagung dann auf das Frühjahr 2021 vorgezogen), wandern aus ins Internet (wie die Tagung der IG Phelsumen am 10.10., die als Zoom-Konferenz durchgeführt wird), oder sie werden unter den bekannten Vorsichtsmaßnahmen doch durchgeführt – wahrscheinlich jedenfalls, denn das Geschehen ist dynamisch und die Lage fragil. Dieser Hinweis gilt für alle Veranstaltungshinweise in dieser REPTILIA. Wir haben uns entschieden, den Terminkalender dennoch wie gewohnt zu drucken. Aber natürlich steht derzeit alles unter Vorbehalt – also unbedingt vorher noch mal recherchieren, ob das anvisierte Event auch tatsächlich steigt. Und ob es ratsam erscheint, daran teilzunehmen, oder ob der Zielort nicht in der Zwischenzeit zum Risikogebiet erklärt worden ist.

Das gilt natürlich erst recht für Reisen. Gerade jetzt im Herbst, wo es bei uns bald wieder kalt und ungemütlich wird, fahren Terrarianer, die nicht an Schulferien gebunden sind, eigentlich gerne in ferne Länder, um unsere Lieblinge im natürlichen Lebensraum zu beobachten. Die pauschale Reisewarnung für fast alle Länder außerhalb der EU soll zwar Ende September aufgehoben werden, sie dürfte aber für die meisten relevanten Ziele dennoch in veränderter Form weiterbestehen. Wer also die Herbstmonate in wärmeren Gefilden verbringen will, wird sich im Regelfall auf den Mittelmeerraum beschränken. Italien war zwar von der Pandemie besonders hart betroffen, hat sich seither aber gut berappelt und kann derzeit ohne Einschränkungen bereist werden. Auch hier steigen die Zahlen zwar wieder ähnlich wie in Deutschland, aber die Chancen stehen gut, dass eine Auszeit im warmen Süditalien in diesem Herbst noch möglich ist. Viele Eidechsen, vor allem Jungtiere, lassen sich dann noch gut beobachten. Unser Reisebericht von Claudia und Andreas Schäberle gibt spannende Anregungen für Herper.

Nicht nur der Termin-Teil, auch die Rubrik „Magazin“ in dieser REPTILIA ist aus Aktualitätsgründen diesmal anders als üblich – wenn auch aus anderem Anlass. Die Meldung, dass es Forschern gelungen ist, das komplette Genom der einzigartigen Brückenechse zu entschlüsseln, ging im August um die Welt. Unser Autor Frank W. Henning erlaubt Ihnen einen tieferen Einblick in die faszinierende Story hinter den Schlagzeilen.

Ganz zeitlos hingegen ist die Beschäftigung mit den eigenen Terrarien und ihren Bewohnern. Ob draußen nun Seuchen oder die ersten Herbststürme wüten – das Wohnzimmerterrarium oder der Hobbykeller erlauben immer ein ruhiges Naturerlebnis fernab der oft unfreundlichen Außenwelt. Damit das möglichst überzeugend ausfällt, beschreibt Oliver Fischer, wie man Großterrarien möglichst naturnah aussehen lassen kann – natürlich am Beispiel der Segelechsen, die als Pflanzenfresser bzw. -plattmacher diesbezüglich eine gewisse Herausforderung darstellen. Wer so viel Platz nicht hat, muss auf spannende Beobachtungen aber nicht verzichten, wie Philipp Ginal am Beispiel der bezaubernden Mallorca-Geburtshelferkröte zeigt. Eine Art übrigens, die neu in das Programm Citizen Conservation aufgenommen worden ist – so kann man zu Hause aktiv einen Beitrag zum Artenschutz leisten und auch noch viel Freude dabei haben. Welches Hobby bietet das sonst schon?

Und schließlich sei natürlich noch auf das Titelthema verwiesen, das sich mit Evergreens im Terrarium beschäftigt: den Boas. Mit Garten- und Regenbogenboa werfen wir einen Blick auf zwei sehr unterschiedliche Strömungen der Riesenschlangenhaltung: einerseits das „Knacken“ selbst von früher als ausgesprochen schwierig geltenden Arten und andererseits die gezielte Zucht von Farbformen. Was auch immer man davon halten mag – auch sie ist ein Teil der Terraristik, und sie ist der beste Beweis gegen das Geschwätz, „Exoten“ seien nicht halt- und züchtbar. Doch, sind sie. In dutzenden, häufig spektakulären Morphen sogar. Der Kreis schließt sich dann bei einem weiteren Artikel unseres Titelthemas: Nicht nur der Mensch hat mit plötzlich auftretenden Viruserkrankungen zu kämpfen, auch Tiere leiden darunter. Im Fall der Einschlusskörperchenerkrankung IBD sind es erstaunlicherweise offenbar nur „Riesenschlangen“ und hier ganz besonders Boas, die betroffen sind. Für Züchter ist das Virus ein Alptraum – Vorsorgemaßnahmen und umsichtiges Verhalten helfen dabei, das Erkrankungsrisiko zu minimieren. Womit wir wieder am Ausgangspunkt dieser Betrachtungen angekommen wären. Also: Bleiben Sie gesund!

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