Die Gallwespenschleiche ist nicht nur einfach so spektakulär gefärbt – es gibt auch einen spektakulären Grund dafür: Die Jungtiere dieser Art ahmen einen giftigen Tausendfüßler nach und hoffen dadurch Angreifern zu entgehen. In der Literatur stehen falsche Angaben über die Biologie dieser Art – Terrarienbeobachtungen stellen dies richtig. von Christian Langner

Bei Diploglossus lessonae handelt es sich um eine sehr farbenprächtige Schleiche. Besonders im Jugendkleid sind diese Echsen spektakulär gefärbt. Die Jungtiere weisen eine kontrastreiche Schwarzweißbänderung auf, die sich von der Schnauze über die gesamte Körperoberfläche bis in die Region der Schwanzspitze fortsetzt. Die komplette Unterseite ist leuchtend rot gefärbt.
Mit zunehmendem Alter der Tiere verblasst diese Zeichnung. Die Streifenzeichnung der Jungtiere verschwindet nahezu vollständig, ist bei jüngeren Adulti aber noch ansatzweise zu erkennen. Bei den Männchen färben sich die Kopf- und Halsregion sowie der Schwanz hellgelb. Ihre Rückenzeichnung wird mit zunehmendem Alter einfarbig braun. Die Weibchen erscheinen meist komplett bräunlich, nur selten sind auch bei ihnen die gelben Farbanteile vorhanden, dann aber meist deutlich blasser. Die rote Ventralfärbung der Jungtiere bleibt bei beiden Geschlechtern auch im Erwachsenenalter erhalten, aber etwas weniger ausgeprägt. Frisch gehäutete Exemplare erscheinen am farbintensivsten.
Die Häutungsreste werden anscheinend gefressen, da im Terrarium noch nie welche gefunden wurden. Beobachtet wurde dies jedoch bisher noch nicht. Die auffällige Warnfärbung der Jungtiere bleibt bei der nahe verwandten und ähnlich gefärbten westbrasilianischen Art Diploglossus fasciatus auch im Erwachsenenalter erhalten.

Mimikry eines Hundertfüßers
Die kontrastreiche Färbung der juvenilen D. lessonae und der adulten D. fasiatus wird als Bates´sche Mimikry interpretiert. Diese auffallende Jungtiertracht soll die Warnfärbung des toxische Sekrete absondernden und übel schmeckenden Tausendfüßlers Rhinocricus albidolimbatus imitieren. Hierbei wird von den Jungtieren nicht nur die Färbung nachgeahmt, auch die Bewegungsabläufe sollen denen der Diplopoden ähneln. Außerdem besteht wohl darüber hinaus auch ein Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der vermehrten Aktivität der Tausendfüßler und dem Erscheinen der Jungtiere dieser Schleichen zu Beginn der Regenzeit. Zum Ende der Regenzeit verschwinden die Tausendfüßler, und auch die Färbung der jungen Schleichen verliert mit zunehmendem Alter allmählich an Intensität (Vitt 1992; Shear 2015; Pianka & Vitt 2003).
Pianka & Vitt (2003) erwähnen in diesem Zusammenhang weiter, dass Diplopoden zu den ältesten landbewohnenden Lebewesen gehören, es also mehr als ausreichend Zeit gab, diese erstaunliche Form der Mimikry hervorzubringen. Im Verbreitungsgebiet der Schwesterart D. fasciatus im westlichen Brasilien werden schwarzgelb gefärbte Tausendfüßler imitiert (Shear 2015; Vitt 1992).

den vollständigen Artikel finden Sie in Ausgabe 136