Es ist ja schwer zu erklären, warum einen die Leidenschaft für etwas packt. Jeder Terrarianer kennt die Frage verwunderter Zeitgenossen, warum man sich ausgerechnet mit solchen Tieren befasse oder sie gar zu Hause halte. Tja, warum? Natürlich kann jeder von uns sofort einen ganzen Strauß total vernünftiger Erklärungen zücken: dass diese Tiere besonders interessant sind, faszinierende Verhaltensweisen oder Anpassungen zeigen, die man beobachten und studieren kann; dass es einen eigenen Reiz hat, wenig bekannte Arten zu pflegen, um mehr über sie herauszufinden; dass man sich mit der Nachzucht einer bedrohten Art für ihr Überleben engagiert; dass sie nun einmal verdammt noch mal ausgesprochen hübsch sind, ich meine: ihr gebt Geld aus für irgendwelchen Fashion- Week-Plunder, der noch dazu vollkommen unpraktisch ist, oder hängt euch Gemälde schwer zu definierenden Inhalts an die Wände, und dann fragt ihr ernsthaft, warum wir etwas so Ästhetisches wie einen Schmuckhornfrosch halten?; dass man in diesem Hobby die vielleicht interessantesten Menschen des ganzen Landes kennenlernt; dass es wahnsinnig beruhigend ist, ein Tier zu pflegen, das nicht permanent durch die Gegend rennt, gekrault werden will oder sinnlos vor sich hintschilpt; dass man gerne einen kleinen Ausschnitt Natur zu Hause hätte, weil das Geranienbeet nicht alles sein kann; weil die Echsenmenschen ohnehin bald die Macht übernehmen und es daher eine gute Idee ist, sich schon einmal gut mit ihnen zu stellen. So was halt.
Aber am Ende weiß man es doch nicht. Wieso ausgerechnet Amphibien, Reptilien oder Vogelspinnen? Und nicht Zwerghamster oder Nacktschnecken? Oder Fußballvereine, Synchronspringen oder Oldtimer? Und vor allem: warum dann ausgerechnet diese Reptilien und nicht die vielen anderen?
Zumindest auf letztere Frage habe ich so etwas wie eine Antwort. Warum es Leguane wurden, die mir ganz besonders ans Herz gewachsen sind, ja, die mein Leben über Jahrzehnte geprägt haben in der Wahl meiner Terrarienbewohner, meiner Reiseziele, meines Berufs und letztlich womöglich sogar meiner Frau, das kann ich in Ansätzen erklären. Es war eine Mischung aus blankem Zufall, herber Enttäuschung und geweckter Sehnsucht. Ich nahm an einem Schüleraustausch in die USA teil, weil meine Eltern fanden, es wäre gut, mal für ein paar Wochen ins englischsprachige Ausland zu gehen. Eigentlich war St. Louis das Ziel, aus irgendwelchen Gründen klappte das aber nicht, der zuständige Lehrer erschloss Lompoc an der Westküste als Alternativziel. So kam ich eher planlos im Alter von 16 Jahren nach Kalifornien. Zu der Zeit war ich schon begeisterter, aber noch weitgehend unspezialisierter Terrarianer, ich hielt Echsen, Frösche und ein paar Stabschrecken; Schlangen durfte ich nicht, das war die letzte rote Linie meiner Eltern, nachdem ich meine Tiere schon in zähen Verhandlungen aus der Garage in den Keller des Hauses diskutiert hatte. Vor Ort stieß ich auf einen Feldführer über die Amphibien und Reptilien des Westens der USA – und war schier erschlagen von der Erkenntnis, was für fantastische, mir bis dahin nur aus der Terraristik und Zoos bekannte Arten plötzlich direkt vor meiner temporären Haustür lebten. Chuckwallas! Krustenechsen! Seitenwinder-Klapperschlangen! Zebraschwanz- und Fransenzeherleguane! Wüstenschildkröten! Und dann die herbe Enttäuschung: Ich würde nichts davon sehen, weil Lompoc eben nicht in der Wüste liegt, sondern am Pazifik, weil ich kein Auto hatte und niemanden kannte, der mit mir herausfahren würde. Immerhin: Ein paar Stachelleguane, Kiefernnattern und sogar Krötenechsen konnte ich auf der Brachfläche hinter unserer Schule finden – ein fantastisches Erlebnis, auch wenn die Wunde schmerzte, dass nur zwei Autostunden entfernt die noch viel aufregenderen Arten bereitsaßen, um entdeckt zu werden, nur dass ich halt nicht hinkam. Das würde ein Rückspiel geben! Und so reiste ich direkt nach dem Abitur wieder nach Kalifornien, diesmal selbstbestimmt und mit eigenem Wagen, und los ging die aufregende Suche. Schließlich kam eines zum anderen: Dias, erste Vorträge, erstes Buch, der Ehrgeiz, immer neue, immer mehr für mich unbekannte ähnliche Arten zu finden, die REPTILIA – bis jetzt zu diesem Titelthema, in dem ich zumindest kursorisch ein wenig durch die große Gruppe meiner Hauptinteressensobjekte der letzten nun doch schon fast 40 Jahre führe. Begleitet von den tollen Haltungs- und Nachzuchterfahrungen anderer Enthusiasten: von Joschka Redelius, der sich seit 15 Jahren den kleinen Seitenfleckleguanen verschrieben hat, oder von Dennis Kuhlmann und Thomas Ackermann, die wunderbare Schauterrarien für einen unscheinbar- winzigen Anolis unterhalten. Was die wohl zu ihrer Leidenschaft getrieben hat? Und was hat Sie gerade zu Pfeilgiftfrosch, Königspython, Breitrandschildkröte oder Vogelspinne gebracht? Hinter allem stehen Geschichten. Wie die REPTILIA sie immer wieder aufschreibt! Viel Spaß bei der Lektüre wünscht:
