Es fühlt sich am Ende dieses weltpolitisch deprimierenden Jahres zugegebenermaßen etwas abwegig an, die breitere Öffentlichkeit für Frösche interessieren zu wollen. Der furchtbare Terror-Angriff auf Israel, die bestürzende Tatsache, dass Juden sich hierzulande schon wieder nicht mehr sicher fühlen können, der immer noch unerbittlich ausgefochtene, nationalistisch motivierte Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die sich stetig dramatisierenden Klima- und Biodiversitätskrisen – und jetzt sollen wir uns auch noch um ein paar Ochsenfrösche kümmern?
Man wird wohl müssen. Denn von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat sich der Amerikanische Ochsenfrosch im Südwesten Deutschlands von einer eher skurrilen Randnotiz der letzten Jahrzehnte zu einer handfesten Bedrohung für die heimische Herpetofauna entwickelt. Offensichtlich ist das Thema zu randständig und zu schwer zu vermitteln, als dass längst schon überfällige Maßnahmen entschlossen angegangen würden. Am Geld allein kann es nicht liegen, denn im Vergleich geht es hier am Ende doch um eher bescheidene Beträge, die nötig wären. Vielleicht ist es eher die Unpopularität der Gemengelage an sich: Wer interessiert sich schon groß dafür, ob da am Weiher nun amerikanische oder deutsche Frösche quaken? Für die meisten Menschen dürfte das ziemlich egal sein. Und dann wären da ja auch noch die erwartbaren Proteste von Tierschützern, wenn mit den Invasoren aus Nordamerika entschieden verfahren würde. Mangelnde biologische Bildung und Vermenschlichung bei Tierthemen standen uns Amphibienund Reptilienfreunden ja schon häufig im Weg. Normalerweise ist allerdings eher anders herum: Unsere Interessensobjekte und/oder wir selbst werden dämonisiert. Nun sind wir es, die auf eine tatsächliche Bedrohung hinweisen, die von „unseren“ Tieren ausgeht – aber jetzt will niemand so recht etwas davon wissen. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so dramatisch wäre. Mein REPTILIA- Kollege Kriton Kunz, in Speyer quasi im Krisengebiet ansässig, ist mit seinem Sohn Francisco losgezogen, um sich den besonderen herpetologischen Hotspot mal genauer anzuschauen. Und was die beiden dann im Lauf der letzten zwei Jahre erlebten, ließ sie nicht so schnell wieder los. Francisco ist nicht nur ganz wortwörtlich tief in das Thema eingetaucht, nämlich auf Quappenjagd in den Gewässern vor Ort, sondern er hat sich auch mit bemerkenswerter Gründlichkeit und zunehmendem Unverständnis über manche Akteure in die Thematik eingearbeitet. Der 17-Jährige präsentiert seine Ergebnisse in dieser REPTILIA-Ausgabe als seinen Erstling. Und was für einen! Der Artikel ist so aktuell und exzellent durchrecherchiert (und Papa betont, dass der Junge das allein erledigt hat), dass wir für ihn die üblichen Heftregeln einfach mal über Bord geworfen haben und den Artikel ungeteilt als XXL-Titelthema präsentieren.
Dass Francisco auch sonst eine echte Nachwuchshoffnung ist, wird den Followern unserer Social-Media-Kanäle bereits aufgefallen sein. Denn schon für die letzte REPTILIA hat Francisco ein Ankündigungsvideo für das Heft erstellt, das hoffentlich Lust auf die Lektüre macht und vielleicht noch ein kleines bisschen moderner daherkommt als so ein Editorial, das im Prinzip ja dieselbe Funktion erfüllt. Aber da überlasse ich der Jugend ganz entspannt das Feld (eine Übung, in der ich es ohnehin gerade zu einer gewissen Profession bringe, wie ich auch im Brutkasten dieser Ausgabe an einem ganz anderen Beispiel ausführe …). Also: Schauen Sie gerne auf Facebook und Youtube bei uns vorbei und lassen Sie sich schon vor dem Erscheinen der jeweils nächsten Ausgabe ein wenig Appetit auf das kommende Heft machen. Und nicht nur das – mit einem hübschen Erklärvideo zum Kronengecko ist Francisco auch gleich noch einen weiteren Schritt in Richtung Herp-Influencer gegangen. Die ideale, frische Ergänzung zum Old-aber-goodschool-Heft – mit dem ich Ihnen jetzt viele interessante Stunden wünsche. Und natürlich schöne Feiertage und ein gutes neues Jahr – auf ein Wiederlesen in 2024!
