Editorial 162

28. Juli 2023

Nach den Aufregungen der vergangenen Monate rund um Positivlisten und Energiekrise fällt die traditionell ruhigere Sommerzeit für alle Terrarianer hoffentlich möglichst erholsam aus. Dazu trägt vielleicht auch bei, dass die Dinge sich ja allmählich wieder beruhigen. Die befürchteten Energie-Engpässe sind ausgeblieben, Inflationsrate und Energiepreise haben sich wieder etwas beruhigt, und auch an der Positivlisten-Front hat die Aufregung sich etwas gelegt. Wie wir aus mehreren zuverlässigen Quellen erfahren haben, wird von Regierungsseite in dieser Legislaturperiode niemand mehr an das Thema auf nationaler Ebene herangehen, zumal der Vorstoß von Cem Özdemir Anfang des Jahres selbst in Teilen seiner Partei auf Unverständnis gestoßen ist. Vielleicht muss man die auch unter kommunikativen Aspekten als Ausrutscher zu wertenden Äußerungen eher als Testballon begreifen, und die mitunter heftigen Reaktionen und vielstimmige Ablehnung, nicht nur aus der engeren Szene der Betroffenen, sondern auf breiter gesellschaftlicher Front von den Halterverbänden über die Zoos bis zu Handel und selbst Teilen der Publikumspresse, dürfte in den zuständigen Ministerien durchaus wahrgenommen worden sein – inklusive der ja nicht von der Hand zu weisenden Sachargumente, die gegen ein solches Vorhaben sprechen. Nun kommt noch ein vom ZZF, dem Zentralverband der Zoologischen Fachbetriebe, also dem allgemeinen Zoohandel, initiiertes Rechtsgutachten hinzu, das von einer breiten Phalanx von Unterstützern, von DGHT und BNA über die Zoos bis zu Citizen Conservation, co-finanziert wurde. Der renommierte Verfassungsrechtler Tade Spranger, aufmerksamen REPTILIA-Lesern gut bekannt, weil er schon lange im Spannungsfeld „Haltung exotischer Tiere und deren rechtliche Voraussetzungen“ aktiv ist, kommt darin zum eindeutigen Schluss, dass solche Positivlisten nicht verfassungskonform wären. Und noch besser: dass es auch auf EU-Ebene erhebliche rechtliche Bedenken gibt. Auch diese gewichtige Stimme wird sicherlich wahrgenommen werden. Und angesichts der sich hier abzeichnenden erheblichen Probleme und Widerstände für ein letztlich doch eher marginales Vorhaben, von dem selbst viele unverdächtige Fachleute aus Tier- und Artenschutz nicht glauben, dass es für ihre Anliegen positive Effekte hätte, mögen hoffentlich viele realpolitisch denkende Zuständige zu dem Schluss kommen, dass es wirklich Wichtigeres gibt, für das sie ihre Energie aufwenden wollen.

Das ändert natürlich nichts daran, dass die Terraristik sich stetig weiter verbessern und möglichen Kritikpunkten selbsttätig vorbeugen sollte. Dazu gehört auch ein bislang eher vernachlässigter Aspekt: Auch die Halter von Wirbellosen, und hier besonders der populären Vogelspinnen, haben allerlei Vorschriften zu beachten. Allgemein akzeptierte Sachkundenachweise für diese Tiere stecken noch, anders als bei Amphibien und Reptilien, in den Kinderschuhen – unser Autor, der bekannte Spinnenspezialist Tobias Hauke, hat deshalb die Grundlagen zu einer solchen Vogelspinnen-Sachkunde in Bezug auf die tier- und artenschutzrechtlichen sowie die Gefahrtieraspekte zusammengetragen und im Titelthema dieser REPTLIA ausgearbeitet. Zweifellos ein kleiner Meilenstein für die Freunde dieser eindrucksvollen Spinnen.

Ansonsten halten wir eine bunte sommerliche Mischung bereit: Für Einsteiger stellt Leo Spinner die ihm besonders ans Herz gewachsenen Königsnattern der Gattung Lampropeltis als ideale Terrarientiere vor, Oliver Gius widmet sich den Reptilien im Bibelbericht, die noch viel mehr, teils überraschende Rollen einnehmen als nur die berüchtigte Paradies-Frucht-Verführung, Claudia und Andreas Schäberle stellen mit der Haltung und Zucht der Kanareneidechse Gallotia stehlini eine weitere Art vor, die gut und über Jahrzehnte beständig von Liebhabern gezüchtet wird. Und Sarah Friedli schließlich präsentiert ein Reiseziel, dass sich eher unter Pauschalreisenden für den herannahenden Herbst großer Beliebtheit erfreut, nämlich Tunesien. Die günstigen Angebote für Reisen in das nordafrikanische Land könnten aber auch Herper und Wirbellosen-Fans zu Ausflügen in die Wüste locken, man muss ja nicht zwei Wochen im Ressort festhängen …

Einen angenehmen Sommer und viel Freude bei der Lektüre dieser REPTILIA wünscht:

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