Editorial 160

31. März 2023

Die Aufregung, die die Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsminsiter Cem Özdemir über die Einführung von sogenannten Positivlisten verursacht haben, die eine deutliche Einschränkung der Haltung von Wildtieren bedeuten würden, haben sicherlich auch damit zu tun, dass sie ungewöhnlich ignorant vorgetragen wurden, mit der provokanten und von den Medien dann auch zusätzlich noch verkürzt aufgegriffenen Formulierung: „Wozu braucht man Schlangen und Chamäleons?“ – eine Steilvorlage natürlich für alle, die pro Terraristik argumentieren. Unter anderem also auch für mich. Einen ausführlichen Kommentar von mir dazu finden Sie im Magazinteil dieser REPTILIA.

Leider hat der Minister damit die Fronten unnötig verhärtet. Was umso bedauerlicher ist, weil man den Eindruck hatte, dass in jüngerer Zeit ein gewisses Umdenken und Aufeinanderzugehen zu beobachten war. Der Koalitionsvertrag der Ampel war nicht so feindselig gegenüber der privaten Wildtierhaltung ausgefallen, wie von manchen zuvor befürchtet, und nicht zuletzt der Bundestagsantrag „Ein Paris-Moment für die Natur – Für einen ambitionierten globalen Rahmen zum Schutz der Biodiversität“ der Ampelkoalition vom Ende des vergangenen Jahres, in dem ausdrücklich die positive Rolle der Privathalter für Ex-situ-Erhaltungszuchten festgehalten wurde, ließ hoffen, dass etwas mehr Verständnis und Ruhe in die politische Diskussion einziehen würden.

Nun ist die Forderung nach Positivlisten nichts Neues, und am Ende steht natürlich sowieso die Frage, wie diese ausgestaltet würden. Eine Variante, die von manchen Fachleuten vorgeschlagen wird, besagt, dass darauf die Arten vermerkt werden sollen, die beispielsweise ohne einen Sachkundenachweis und ohne behördliche Meldung gehalten werden dürfen, während entsprechend für nicht aufgeführte Arten dann gewisse Auflagen gelten könnten, die aber kein Haltungsverbot bedeuten müssten. Über solche Ansätze könnte man ja durchaus diskutieren. Wobei die große Grundfrage natürlich bleibt, wieso sich eigentlich jeder einen Hund zulegen können sollte, wo doch ein Blick in die Tierhaltungsrealität und die Tierheime zeigt, dass klassische Haustiere nicht unbedingt tiergerechter gehalten werden als Schlange oder Chamäleon.

Erfreulicherweise gab es aber viel Gegenwind für den Minister, selbst in der eigenen Partei, wie der „Spiegel“ berichtete, und auch in den überregionalen Medien wurden die Äußerungen kontrovers diskutiert. Ob der Hinweis Özdemirs, dass er eine EU-weite Regelung anstrebt, so zu deuten ist, dass auch in Hinblick auf die anzunehmenden Schwierigkeiten, in einer solchen Frage eine europäische Einigung zu erzielen, vorerst keine Gefahr für die deutsche Terraristik droht, bleibt abzuwarten. Zu Dramatisierungen besteht jedenfalls derzeit noch kein Anlass. Die Szene sollte aber wachsam bleiben, und in gewisser Weise sind Özdemirs Äußerungen vielleicht als Weckruf zu verstehen, einerseits unsere Interessenvertreter wie DGHT, BNA und VDA zu stärken, und andererseits selbst alles dafür zu tun, berechtigte Kritik zu entkräften, indem die Terraristik noch immer bestehende Probleme angeht und Initiativen wie Citizen Conservation, das Erhaltungszuchtprogramm von Privathaltern in Zusammenarbeit mit den Zoos, stärkt.

Aber schließlich wollen wir hier auch gar nicht nur klagen, denn nach den bleiernen drei Corona-Jahren scheint jetzt der Knoten endlich geplatzt – ein Blick auf die Termintabelle in diesem Heft zeigt, dass die Szene endlich wieder richtig munter geworden ist. Vorträge und Börsen finden erneut in erfreulicher Anzahl statt und legen ein deutliches Zeichen davon ab, dass Terraristik bei uns nach wie vor ein Hobby ist, dem viele mit Begeisterung, Leidenschaft und eben auch viel Fachwissen nachgehen. Und das trotz der Energiekrise und der Inflation aufgrund des Ukraine-Kriegs, die vielen Terrarianern zweifellos Sorgenfalten auf die Stirn getrieben haben. Wie man damit vielleicht ein bisschen besser und sogar zukunftsweisend umgehen kann, diskutieren wir im hochaktuellen Titelthema dieser Ausgabe.

In diesem Sinne wünsche ich viel Freude bei der Lektüre dieser REPTILIA!

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