Editorial 159

27. Januar 2023

Dass die Biodiversitätskrise neben dem Klimawandel die größte langfristige Krise für die Menschheit darstellt, wird von kaum einem ernstzunehmenden Wissenschaftler bestritten. Dennoch fehlt es speziell in Sachen Erhalt der Artenvielfalt bislang erheblich an politischem und gesellschaftlichem Handeln. Dass die bisherige Taktik des Ausrufens einzelner Schutzgebiete und des Handelsverbots mit einigen Arten längst nicht ausreicht, zeigt das bestürzende Tempo, in dem immer mehr Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind.

Die Biodiversitätskonferenz, die kurz vor Weihnachten in Montreal zu Ende ging, hat endlich konkrete Verpflichtungen der Unterzeichnerstaaten erbracht. Nun wird es daran liegen, ob diese sich diesmal an das selbst gesteckte Ziel halten, oder wie im Fall der Klimakrise zwar den Vertrag unterzeichnen, dann aber achselzuckend in Kauf nehmen, dass am Ende halt doch bei Weitem nicht genug passiert, um beispielsweise das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Daher ist zu befürchten, dass auch Montreal zwar ein wichtiger Schritt zum Erhalt der Biodiversität sein kann, aber bis zur Verwirklichung der ambitionierten Ziele noch reihenweise Arten aussterben werden. Denn der Schlüssel ist – neben der Eingrenzung der Erderwärmung – der Erhalt der natürlichen Lebensräume. Und daran wird es wohl auch noch länger hapern, sodass viele Arten längst verschwunden oder ihre Bestände irreparabel geschädigt sein werden, ehe ihr Lebensraum tatsächlich geschützt ist. Die einzige Chance für einige von ihnen wird sein, sie in menschlicher Obhut zu erhalten, bis die Dinge sich wieder gebessert haben.

Terrarianer können hierbei einen wichtigen Beitrag leisten. Denn wir haben ohne Zweifel ein Kapazitätsproblem: Es gibt einfach viel mehr akut bedrohte Arten als Möglichkeiten, sie in menschlicher Obhut zu erhalten. So kann das Hobby dann nicht nur Spaß machen, sondern auch wirklich sinnstiftend sein.

Umso absurder ist es, dass immer und immer wieder die Debatte um Positiv­listen hochschwappt. Dabei sollte sich doch inzwischen herumgesprochen haben, dass die Gefährdung der meisten Arten eben nicht aus dem Handel mit lebenden Tieren für Liebhaber resultiert (die wenigen Fälle, in denen das doch der Fall ist, sind natürlich ein echtes Problem und sollten auch von der Szene selbst engagiert bekämpft werden), sondern aus dem Verlust der Lebensräume. Für durch den Handel bedrohte Arten liegt zudem mit CITES (dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen, WA) ein wirksames Instrument bereit – auch wenn es angesichts der etwas inflationären Neuaufnahme von Arten, die teils gar nicht in nennenswerterweise handelsrelevant sind, etwas verwässert wird. Die jüngsten Beschlüsse, die wir Ihnen im Magazin-Teil zusammenfassen, befremden jedenfalls teilweise, auch wenn die Konsequenzen für Terrarianer letztlich kein Problem darstellen.

Positivlisten aber, die meistens von Tierschutzorganisationen aus eben Tierschutzgründen gefordert werden, sind absolut kontraproduktiv: Tierschutzprobleme gibt es vor allem mit häufig gehaltenen, populären Arten – der Besuch jeder Auffangstation zeigt das deutlich. Dort landen fast ausschließlich „Allerweltsarten“ wie Bart­agamen und Schmuckschildkröten, die aber natürlich auf jeder Positivliste stehen würden. Es wäre für den Tierschutz nichts gewonnen. Während gerade die Arten, bei denen Terraristik Artenschutz und Wissenschaft unterstützen kann, eben nicht auf einer Positivliste landen würden – man würde also den möglichen großen Nutzen zerstören.

Wie sehr Tierwohl und artgerechte Haltung in der Terraristik im Zen­trum stehen, zeigt auch das Titelthema dieser REPTILIA. Der Tierarzt Frank Krönke von der Reptilienauffangstation München stellt nicht nur dar, wie und dass Amphibien und Reptilien artgerecht im Sinne einer „Guten Tierhaltung“ gepflegt werden können, er demonstriert auch eindrucksvoll, dass das Streben danach schon in historischer Zeit ein wichtiger Teil des Hobbys war – wie heute eben auch.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine aufschlussreiche und inspirierende Lektüre dieser Ausgabe – bleiben Sie uns auch im neuen Jahr gewogen!

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