Langsam zieht sie sich doch ein wenig, diese Pandemie. Ein volles Jahr ist unser Leben nun geprägt von einem Virus. Das schlägt sich auch in der Terraristik nieder: Ein Jahr mit nur eingeschränkten oder gar keinen Reisen, ein Jahr praktisch ohne Börsen und Vereinstreffen – aber eben auch ein Jahr, in dem wir uns besonders darüber freuen können, ein Hobby auszuüben, das uns die Natur nach Hause bringt, wo wir derzeit eben bleiben müssen.
Die Corona-Krise hat dazu geführt, dass viele Menschen sich Haustiere neu angeschafft haben. Speziell Hunde und Katzen sind extrem nachgefragt – Schlangen, Echsen oder Frösche hielte ich ja für sinnvoller. Hoffen wir mal, dass dieses neue Interesse am „besten Freund des Menschen“ und diesem anderen Tier sich nicht bald wieder verliert, wenn alles wieder normal verläuft. Dann hätten die Tierheime tatsächlich ein Problem … Auch wenn sie dann vielleicht endlich mal nicht mehr so exzessiv auf die letztlich doch eher überschaubare Zahl von Exoten schimpfen würden, wollen wir das im Sinne der Tiere wirklich nicht hoffen.
In der Vorbereitung dieser REPTILIA-Ausgabe saß Deutschland noch immer im zweiten Lockdown, und auch wenn gerade vorsichtige Lockerungen versucht werden, droht die dritte Welle schon heranzurollen. Wir werden sehen, wer schneller ist: Das Virus oder die Impf- und Testkampagne. Auf jeden Fall dürfen wir zuversichtlich sein, dass sich die Situation mit zunehmender Durchimpfung allmählich beruhigt, aber eines ist wohl klar: Auch 2021 wird im Zeichen des Virus stehen und unsere Reisepläne empfindlich treffen.
Grund genug für uns, entgegen der üblichen Titelthemen-Folge bei REPTILIA noch einmal einen Schwerpunkt zu einheimischen Tieren zu bringen. Denn viele Terrarianer und Herper werden auch in diesem Jahr wohl eher im eigenen Land herumtouren. Nach unserem Heft „Herping vor der Haustür“, für das wir viel Lob bekommen haben, legen wir deshalb nach und stellen nun speziell die einheimische Schlangenfauna von Deutschland, Österreich und der Schweiz vor. Angesichts all der spektakulären Arten ferner Länder geraten die heimischen Spezies ja mitunter etwas in Vergessenheit – dabei lohnt das nähere Hinschauen unbedingt. Unser Hausund Hof-Fotograf Benny Trapp hat Ringelnatter, Aspisviper & Co. jedenfalls ins rechte Licht gerückt, und wir freuen uns, seine wie immer wunderbaren Fotos hier präsentieren zu können. Welches Potenzial sich bietet, wenn man sich mit einer einheimischen Art detailliert beschäftigt, zeigt Andre Schmid mit seiner eindrucksvollen Sammlung der Farb- und Zeichnungsvarianten der Kreuzotter – ein Leckerbissen für jeden Reptilienfreund! Und mit der kleinsten und der größten heimischen Schlange stellt ihnen Hans Esterbauer zudem noch zwei Extreme vor, die die Bandbreite unserer Schlangenfauna abstecken – und die ebenfalls überraschende Entdeckungen erlauben.
Aber natürlich lassen wir den Blick auch in die Ferne schweifen. Zweifellos werden Flüge in die USA bald wieder möglich sein, und vielleicht genießt der eine oder andere schon jetzt die Reise in Gedanken in den Südwesten der USA, wenn ich ihn mitnehme zum nächsten Teil meiner Reihe „Der Große Treck“.
Und schließlich geht es natürlich wieder um praktische Terraristik, die auch bei Lockdown, hohen Inzidenzen und selbst in Quarantäne immer bestens funktioniert. Mit dem letzten Teil seiner Serie über Segelechsen widmet sich Oliver Fischer diesmal der Nachzucht dieser imposanten Drachen, während Friedrich Becker sozusagen das terraristische Gegenkonzept beschreibt, nämlich die Haltung des kleinen, aber sehr hübschen Sechsstreifen-Skinks. Redaktionskollege Kriton Kunz, unser Fachmann auch für Krabbeltiere, sowie Klaus Rehfeld stellen eine spektakuläre Neuentdeckung vor: Eusoziale, also wie Ameisen in einem Staat organisierte Schaben!
Und schließlich beschreibt Jochen Scholdei, Tierpfleger im Allwetterzoo Münster, nicht nur die erfreulichen Erfolge, die er und seine Kollegen dort bei der Haltung von Sternschildkröte und Fidschileguan erzielen konnten, er setzt auch noch ein kleines Denkmal für eine Institution, die für die REPTILIA und ihre Macher eine ganz besondere Bedeutung hatte. Sowohl Verleger Matthias Schmidt als auch ich selbst sind quasi aufgewachsen mit dem 1974 erbauten Tropenhaus im Allwetterzoo Münster. Hier sahen wir unsere ersten Riesenschlangen und Krokodile, sein Besuch war das Highlight unserer Zoobesuche, der Blick in die (wenigen) Terrarien dort ließ unsere Kinderaugen glänzen – und hat damit sicherlich seinen Teil zu unserer Prägung auf Reptilien und damit auch zur späteren Gründung der REPTILIA beigetragen. Nun ist dieses Haus Geschichte. Anfang des Jahres wurde es im Zuge des Masterplans zur Zoo-Entwicklung abgerissen. Es wird ersetzt durch ein neues Tropen- Warmhaus, in dem allerdings keine Reptilienhaltung mehr vorgesehen ist. Da wird uns schon ein wenig schwer ums Herz – auch wenn wir uns natürlich auf Große Ameisenbären, Tapire, Faultiere und Riesenotter freuen, die im Neubau einziehen sollen. Umso schöner, das kleine, aber engagiert betreute alte Tropenhaus in dieser Ausgabe noch einmal in Erinnerung zu rufen!
Die nächste REPTILIA-Ausgabe ist das Juni/Juli-Heft – mit etwas Glück ist der ärgste Teil der Corona-Krise bis dahin überwunden, und wir können hoffentlich unbeschwerter in den Sommer starten und danach auf eine Rückkehr zur Normalität hoffen. Bis dahin wünsche ich Ihnen viel Freude mit der Lektüre dieser Ausgabe – und vielleicht bei Ihren Entdeckungsreisen durch die Biotope vor unserer Haustür auf der Suche nach heimischen Amphibien und Reptilien!
